Innovation und Zukunft

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Innovationstreiber

Sowohl von der Union als auch von der FDP wird oft und gerne behauptet, dass insbesondere die deutsche Industrie ein weltweit führender Innovator und Technologietreiber sei.

Durch meine Erfahrung als Erfinder und Entwickler an einem deutschen Forschungsinstitut habe ich darauf einen etwas differenzierteren Blickwinkel. Die Industrie ist in vielen Fällen ein Technologie-Aggregator, und nicht unbedingt ein Innovator. Sie unterhält zwar F&E-Abteilungen und investiert in die Forschung an Universitäten und in Forschungseinrichtungen. Diese sind zwar auch in einem gewissen Maß von der Industrie als Drittmittelgeber abhängig, jedoch findet die Grundlagenforschung nahezu ausschließlich dort statt. Die Industrie hat ihrerseits überhaupt kein Interesse, größere unternehmerische Risiken zur Beantwortung offener Forschungsfragen einzugehen. Es ist für sie nicht sinnvoll, größere Summen in die Beantwortung von Fragen zu investieren, bei denen nicht klar ist, ob mit den Ergebnissen Gewinn erzielt werden kann. Es ist daher ein beliebtes Modell, die Forschungsarbeit über externe Doktoranden und Masterarbeiten an die Universitäten zu vergeben oder in gemeinsamen Projekten zu bearbeiten. In der Regel erhalten die Unternehmen für diese Kooperationsprojekte beträchtliche Zuschüsse aus öffentlichen Fördereinrichtungen – also vom Steuerzahler. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein mittelständisches Unternehmen oder einen Großkonzern handelt.

Ein Beispiel für ein weithin bekanntes innovatives Produkt aus meiner Branche ist Apples iPhone – das erste Smartphone seiner Art. Die Firma nahm bestehende Technologien und fügte sie auf innovative Weise in ein Produkt zusammen (Technologie-Aggregation). Sie brachte es zur Marktreife und traf damit einen Nerv der Zeit und das Bedürfnis nach menschlicher Verbindung in einer sich globalisierenden und schnelllebiger werdenden Welt. Die dafür nötigen Technologiegrundlagen wie Touchscreens, strom- und platzsparende Prozessoren, leistungsfähige und häufig wiederaufladbare Batterien oder die Spracherkennungssoftware für “Siri” waren im Kern jedoch alle schon vorher von Universitäten und Forschungseinrichtungen entwickelt worden.
Zahlreiche weitere solcher Beispiele werden von Mariana Mazzucato in ihrem Buch “The Entreperneurial State” (Der unternehmerische Staat) angeführt. Diese Kooperation zwischen staatlicher Förderung, Industrie und Hochschulen macht in seiner Form durchaus Sinn, da wir mit hundertprozentiger finanzieller Eigenleistung der Industrie sicher nicht genug Innovation hätten und Universitäten die Expertise und Verantwortung der wissenschaftlichen Ausbildung und Qualitätssicherung tragen.

Doch die Entfaltung der Innovationsleistung von Unternehmen als Grund für entsprechende Steuererleichterungen heranzuführen, erscheint mit diesem Hintergrundwissen doch ein wenig wie eine Doppelförderung. Als Begründung für die Notwendigkeit steuerlicher Entlastungen für Unternehmen ist sie aus meiner Sicht zumindest nicht sehr überzeugend.

Wenn (materielles) Wohlergehen bei den Menschen ankommen soll, dann sollte es auch direkt dort hingebracht werden und nicht über Umwege. Frei nach David Ricardos “Kompensationstheorie”: Der technologische Fortschritt schaffe nur dann mehr Arbeit als er vernichtet, wenn die Kaufkraft der Menschen erhalten bleibt.
Die Frage ist jedoch, wie wollen wir das in Zukunft bewerkstelligen, wenn durch die nächste digitale Revolution immer mehr materieller Wert von Maschinen geschaffen wird und immer weniger Menschen einer Erwerbstätigkeit nachgehen können? Ein Trend, der mit der sogenannten Industrie 4.0 und den Fortschritten bei künstlicher Intelligenz schon heute abzusehen ist. Vielleiche können wir uns ja auf soziale, kulturelle und künstlerische Werte konzentrieren? Auf lebenslanges Lernen. Darauf bieten die etablierten Parteien keine Antworten. Die Parteien, die diese Fragen stellen, werden mit Argwohn und Zweifel betrachtet.

Zukunft gestalten

Ich bin sicher niemand, der vorgefertigte Antworten hierfür aus der Tasche zieht. Ich bin aber jemand, der dafür sorgen würde, dass Debatten wie diese ihren Weg aufs Podium des Parlaments finden und in demografiekonform gelosten Bürger*innen-Versammlungen Antworten finden. Denn damit der Anschluss an die breite Gesellschaft und die sogenannten “Abgehängten” wiedergefunden wird, müssen diese und andere Fragen vertrauensvoll, offen und ehrlich besprochen werden. Die Menschen sorgen sich um die Zukunft und verdienen es eingebunden zu werden. Es gibt so viel konstruktives Gestaltungspotential unter den Menschen, dem einfach nur Raum gegeben werden muss. Ich will teil einer Politik sein, die dieses Potenzial hebt und nicht einfach den Status Quo verwaltet.

Einen wunderschönen inspirierenden Rede dazu hat der wunderbare Aktivist und Poetry-Slammer Björn H. Katzur geschrieben, die ich an dieser Stelle teilen möchte.