FAQ

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Deine Inhalte sind inhaltlich sehr stark ökologisch ausgerichtet. Warum bist Du nicht bei den Grünen oder einen anderen ökologischen Partei?

Es gibt große Schnittmengen. Jedoch macht bei der nicht verhandelbaren Klimakrise keine der etablierten Parteien eine Politik, die mit dem 1,5-Grad-Limit und den vertraglich verpflichtenden Pariser Klimazielen konform geht; auch die Grünen nicht. Wenn man den angestrebten maximalen Ausstoß von CO₂ betrachtetet, sind die ambitioniertesten Wahlprogramme tatsächlich die der Linken und der Grünen. 4,2 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen will die Linke noch zulassen, 5,3 Milliarden Tonnen die Grünen. Um das 1,5-Grad-Limit mit 65 % Wahrscheinlichkeit einzuhalten dürfen wir aber insgesamt nur noch 1,9 Milliarden Tonnen emittieren. Ich kann nicht guten Gewissens eine Partei unterstützen, die staatliche Verträge ignoriert und damit der Verpflichtung zum Schutz der Bürger:innen vor den Folgen des Klimawandels nicht nachkommt. Dabei ist wichtig zu wissen, dass jedes zehntel Grad an Durchschnittstemperatur entscheidend ist. Denn jedes weitere Zehntel ist mit wesentlich größerer Häufigkeit von Extremwettereignissen wie Langzeitdürren, lokalem Starkregen, Stürmen, Hagel, Fluten, Erdrutschen und dergleichen verbunden.

Was möchtest Du speziell für den Wahlkreis 244 Nürnberg-Nord bewirken?

Konkret möchte ich darauf einwirken, dass Beschränkungen für nachhaltiger Kommunalpolitik, die durch Bundesebene bestehen, aufgehoben werden, z. B. durch die Beseitigung des versteckten, progressiven Solardeckels oder ganz allgemein durch Entbürokratisierung.

Ich würde die zur Verfügung stehenden Ressourcen eines Abgeordneten geltend machen, um für Nürnberg Wege zu finden, das Gemeinwohl zu stärken und mehr Kommunikation und demokratische Teilhabe mit den Bürger*innen möglich zu machen.

Du klaust den anderen ökologischen Direktkandidatinnen doch nur Stimmen? Damit stärkst Du durch Zersplitterung nur weniger ökologische Parteien, die noch mehr CO2-Emissionen und/oder ökologische Zerstörung zulassen.

Das kann man so sehen. Wenn es Ihnen aber z.B. um Kandidatinnen wie Tessa Ganserer geht, so steht diese neben der Direktkandidatur auch auf einem relativ sicheren 13. Platz über die Landelisten. Sie kann so z.B. auch durch die Landesliste ins Parlament einziehen, ohne das Direktmandat zu gewinnen. Zudem sollte man doch eigentlich das wählen, was man inhaltlich am besten findet, oder?

Zersplitterung ist leider ein verbreitetes Problem ökologischer Bewegungen. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass eine Diversifizierung der Positionen auch von Vorteil sein kann. Insbesondere dann, wenn sie von wissenschaftlichem Konsens in ihren jeweiligen Fachdisziplinen getragen sind. In einer Konkurrenz-Demokratie wie der unseren, in der Mehrheiten gefunden werden müssen, ist es schwierig Mehrheiten für Positionen zu finden, die in der öffentlichen Wahrnehmung zu progressiv (oder auch zu konservativ) sind.

Ein Beispiel: Lässt man das eigentlich notwendige Budget von 1,9 Milliarden Tonnen CO₂ zur Einhaltung von 1,5 Grad einmal außer acht, erscheinen die 4,2 Milliarden Tonnen CO₂-Budget der Linken im Vergleich zu den Budgets von CDU/CSU und FDP (7,1 bzw. 10,1 Milliarden) Tonnen natürlich als viel als extremerer Eingriff in unser Wirtschaftssystem und lösen damit bei konservativen Wählern, die sich Sorgen um das Klima machen Zurückhaltung aus: “Ich möchte ja etwas fürs Klima tun, aber geht das nicht evtl. doch ein bisschen zu weit?” Durch eine noch progressivere Forderung (innerhalb des akzeptablen demokratischen Spektrums), relativiert sich diese Wahrnehmung.

Warum sollte ich Dich wählen?

Weil ich mit Integrität für die geäußerten Ziele einsetzen werde, und ich eine Zukunft will, in der das System nicht Gier belohnt, sondern Miteinander. Ich hoffe, das ist in meinen Texten spürbar.

Als partei- und fraktionsloser Abgeordneter wäre ich zudem frei Bündnisse themenabhängig zu suchen. Ich müsste mich nicht parteiinternen Machtspielen und dem Fraktionszwang bei Abstimmungen ergeben. Gegen letzteren würde ich unmittelbar vorgehen. Während Abgeordnete in der Praxis zu oft nach den Vorgaben der Fraktionsvorsitzenden und Profitlobbyabsprachen abstimmen, könnte ich nur meinem Gewissen und Versprechen an die Wähler:innen verpflichtet sein, so wie das Grundgesetz es vorsieht. Ich glaube, dass nur eine Handvoll solcher Direktmandate die parlamentarische Arbeit beleben können.

Was versprichst Du Dir von einer parteilosen Bewerbung? Ist das nichts Aussichtslos?

Weil politikverdrossen den Kopf in den Sand zu stecken unsere Gesellschaft auch nicht weiterbringt. Parteilos zu kandidieren, erzeugt immerhin einen gewissen Aha-Effekt. Es fällt auf, weil es nicht normal ist. An kleine Parteien ist man gewöhnt, die werden kaum beachtet. Doch verändern muss sich etwas. Alles ist viel zu sehr “eingefahren”. Die Großen ignorieren unter Fraktionszwang weithin Expertenrat. Fragen Sie Maja Göpel, Michael Meyer-Herrmann, Hans Schellnhuber u.a. Als Wissenschaftler mit Zugang zu Primärliteratur fühle ich deren Frust. Grundlegende Systemfragen werden im Parlament kaum gestellt: Welchen Wert hat Wachstum, innerhalb planetarer Grenzen? Wie soll sozial-ökologische Gerechtigkeit entstehen, solange Kapitalertrag mehr wert ist als Arbeit, und Profit über dem 1,5-Grad-Limit steht?

Offen gesagt hatte ich den Gedanken der Aussichtslosigkeit vor meinem Entschluss anzutreten auch. Seit ich mich dazu entschieden habe ist das Feedback, dass ich dazu erhalte jedoch ausnehmend positiv. Ungeachtet der politischen Gesinnung scheint es den Menschen, mit denen ich spreche, durchaus einen gewissen Respekt abzunötigen, so ein großes Unterfangen mehr oder weniger allein und ohne Rückhalt einer Partei auf sich zu nehmen.

Ein Teil meiner Motivation ist auch, dass ich durch den beschriebenen Aha-Effekt vielleicht Leute politisiere, die die Politik vielleicht längst aufgegeben haben. Reaktionen wie, “Wie, ganz allein? Sowas geht? Aha, das ist ja interessant. Erzähl mir mehr!” geben mir diesbezüglich Hoffnung. Das ist viel wert in Zeiten schwindender Wahlbeteiligung. Wenn meine Bewerbung allein dazu führt, dass auch andere Menschen sich ein Beispiel daran nehmen und politisch aktiv werden, dann ist schon viel gewonnen. Und wie bereits bei der letzten Frage bereits gesagt, ohne parteipolitische Zwänge wäre ich einfacher freier zu agieren. Marco Bülow beschreibt seine Zeit als fraktionsloses Mitglied des Bundestages nach dem Ausscheiden aus der SPD als die “beste” seiner politischen Karriere.

Alleine bin ich mit diesen Ideen auch nicht. Deutschlandweit treten zahlreiche parteilose Direktkandidat*innen z.B. mit Unterstützung der Klimaliste an. Auch Lu Yen Roloff hat ähnliche Beweggründe.

Hast Du Vorbilder?

Eins meiner wissenschaftlichen Idole ist Carl Sagan, der in seiner Dissertation 1960 den Treibhauseffekt auf der Venus beschrieb, maßgeblich am Voyager-Programm beteiligt war und mit seiner populärwissenschaftlichen TV-Reihe “Cosmos” in den 80ern bereits den Klimawandel auf der Erde und dessen Mechanismen erklärte. Seine Eloquenz bei der von dem berühmten Nasa-Foto des “fahlen blauen Punktes” inspirierten Beschreibung der Torheit menschlicher Expansion ist für mich unübertroffen.
Stark beeinflusst bin ich zudem von den Buchveröffentlichungen, Essays und Vorträgen von Vera F. Birkenbihl, Maja Göpel, Yuval Harari, Richard David-Precht, Harald Lesch und Ernst F. Schuhmacher. Darunter sind m.M.n. hervorzuheben die Werke “Unsere Welt neu denken“, “Sapiens” und “Small is beaufitul – A study of economics as if people mattered“.

Und auch wenn Volker Pispers in seiner Eigenschaft als Kabarettist vieles zuspitzt und vereinfacht, so schätze ich ihn gerade für die so erreichte Zugänglichkeit, und für die Erkenntnis, dass man über viele einfach hingenommene Vorgänge in unserer Gesellschaft eigentlich nur laut lachen kann, wenn man sie denn einmal formuliert und laut ausspricht.

Du sprichst von Wachstumskritik. Bist Du Antikapitalist?

Ich stehe wie viele kluge Leute dem wirtschaftlichen Wachstum als Leitmotiv sehr kritisch gegenüber. Die Grenzen des Wachstums zu hinterfragen ist für mich Ausdruck von Pragmatismus und Realpolitik. Ich bin vor allem aber der Meinung von Maja Göpel, die dazu anregt, ergebnisoffen zu diskutieren, ohne in Begrifflichkeiten zu verfallen, die sofort ein dogmatisches Lagerdenken nach sich ziehen. Es sollte darum gehen neutral festzustellen welche Konsequenzen unser aktuelles Wirtschaftssystem mit sich führt. Welche Vor- und Nachteile es gibt. Zu den Nachteilen zählen Überproduktion und Überkonsum in Verbindung mit der ungerechten Verteilung von Vermögensverhältnissen zulasten der wirtschaftlich Schwachen, der Menschen im globalen Süden und von ökologischen Systemen, die wir für unser Überleben benötigen. Vorteilehaft im Sinne der Nachhaltigkeit ist, dass Eigentümer*innen ihren Besitz in der Regel pfleglich behandeln und so Produktlebenszeiten verlängern und Ressourcenverbrauch reduzieren. Das gleiche psychologische Phänomen spricht unter anderem für ein 365-Euro-Ticket gegenüber dem kostenlosen öffentlichen Nahverkehr. Damit dieses Prinzip auch für Konsumgüter gilt und sich entsprechend auf die Nachhaltigkeit auswirkt, müssten (Service-)Reparaturen allerdings wirtschaftlich attraktiver sein als ein Neukauf. Für diese Probleme sind Lösungen zu suchen – am besten unter Einbeziehung von Bürger*innen-Versammlungen. “Wie wir dann das System nennen, [das Ergebnis dieser Lösungssuche ist], können wir uns im Anschluss überlegen.” – Maja Göpel

An dem Dogma, dass Wirtschaftswachstum nötig sei, um Wohlstand für eine wachsende Anzahl an Menschen zu sorgen, können wir nicht länger festhalten. Solange wirtschaftliches Wachstum an einen steigenden Verbrauch von Rohstoffen gekoppelt ist, kann es kein grenzenloses Wachstum auf einem endlichen Planeten geben. Und finanzielles Wachstum heißt letztendlich nur mehr Geld im Kreislauf für eine nicht mehr wachsende Zahl von materiellen Produkten.